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Virtuelle Integration und Test

Virtuelle Integration für frühzeitige Eigenschaftsabsicherung

Innovative Flugzeugkonzepte integrieren neuartige Systemtechnologien, wie elektrische Antriebe und Brennstoffzellensysteme, welche bisher noch nicht in Verkehrsflugzeugen existieren. Darüber hinaus steigt die Systemkomplexität, z.B. mit der Nutzung moderner, multifunktionaler Systemlösungen. Diese Aspekte machen umfangreiche Systemtests notwendig und erschweren die Formulierung ausreichender Testprogramme. Demgegenüber steht der klassische Entwicklungsprozess, bei welchem Testaktivitäten erst nach Entwurf und Realisierung stattfinden. Prüfstände sind darüber hinaus typischerweise teuer & aufwändig. In diesem Spannungsfeld werden unentdeckte Fehler im Systementwurf bestenfalls spät entdeckt und lösen kostspielige Entwurfsiterationen aus. Im ungünstigsten Fall eines unzureichenden Testprogramms werden solche Effekte erst im späteren Betrieb festgestellt.
Im Rahmen der Aktivitäten zu Virtuelle Integration und Test werden vor diesem Hintergrund am Institut für Flugzeug-Systemtechnik Methoden entwickelt, welche eine Eigenschaftsabsicherung deutlich früher im Entwicklungsprozess ermöglichen. Durch die geeignete Integration von virtuellen Systemprototypen und simulierbaren Umgebungsmodellen verschiedener Detailgrade können viele Systemeigenschaften bereits parallel zur Entwurfsphase im virtuellen Test überprüft und bewertet werden. Damit stellt der Ansatz eine Erweiterung des klassischen V-Modells dar.

Als operatives Kernelement für die Aktivitäten am Institut für Flugzeug-Systemtechnik existiert die virtuelle Integrationsplattform VIPER, welche weiter unten vorgestellt wird. Die weiteren Forschungsaktivitäten können in die folgenden Schwerpunktthemen unterteilt werden:

Kopplungsmethoden für virtuelle und hybride Systemprüfstände

Geeignete Methoden zur Kopplung von domänenspezifischen Simulationen ermöglichen die benötigte Detailtiefe zur frühzeitigen Bewertung von Systemen in der virtuellen Integration. Die kontinuierliche Erweiterbarkeit durch hybride Prüfstände (Testrigs) aus Hardware gekoppelt mit Simulationsmodellen verspricht darüber hinaus eine frühzeitige Teilvalidierung von Systemkonzepten mit realer Hardware und eine signifikante Reduktion von Prüfständen.

Digitalisierung und Automatisierung im industriellen Testprozess

Eine durchgängige digitale Begleitung des industriellen Testprozesses ist ein essentieller Schritt für die Wirtschaftlichkeit und Effizienz von Testkampagnen zukünftiger Entwicklungsprogramme. Dies wird durch den virtuellen Testansatz nochmal begünstigt. Das Institut für Flugzeug-Systemtechnik entwickelt ganzheitliche Methoden und Prozessansätze für die Durchgängigkeit über den gesamten Entwicklungsprozess. Dies beinhaltet die Automatisierung und das Management von Tool-übergreifenden Workflows, der Testausführung und dem Reporting. Neben der Automatisierung sind die Verwaltung und Analyse von großen Datenmengen, sowie das Wissensmanagement zentrale Themen.

Innovative Testansätze für komplexe und neuartige Systemkonzepte

Durch die Realisierung einer erfolgreichen virtuellen Integration können Testaktivitäten deutlich früher im Entwicklungsprozess gestartet werden. Es findet dadurch jedoch keine Erleichterung statt bei der Herausforderung der richtigen Auswahl von Tests für komplexe Systeme, damit u.a. Spezifikationsfehler gefunden werden können. Zusätzlich kommt noch erschwerend dazu, dass für einige Systeme noch keine ausreichenden Erfahrungswerte vorliegen können. Klassische Methoden auf Basis von einzelnen Anforderungen stoßen hier an ihre Grenzen. Daher bedarf es neuer Testmethoden, um systematisch und gezielt unerwartete Wechselwirkungen und Szenarien aufzudecken. Das Institut für Flugzeug-Systemtechnik verfolgt hierfür zwei Ansätze: Durch das Testen von Systemen auf Basis von funktionsübergreifenden Szenarien sollen Wechselwirkungen ATA-übergreifend identifiziert werden. Darüber hinaus werden rechnergestützte Optimierungsansätze unter Verwendung von künstlicher Intelligenz untersucht, um durch die gezielte Falsifizierung, d.h. Wiederlegung, spezifizierter Systemeigenschaften unerwartete Testszenarien zu finden.

Im Folgenden wird auf einige Aspekte und Methoden genauer eingegangen.

Virtuelle Integrationsplattform VIPER

Am Institut für Flugzeug-Systemtechnik wird die virtuelle Integrationsplattform VIPER für die Analyse und Bewertung von Systemen auf Flugzeugebene verwendet. Die Grundlage dazu wird durch detaillierte Modelle der Komponenten, Systeme und Software-Module gegeben, die im Rahmen der virtuellen Integration zu einer komplexen Gesamtsystemsimulation verbunden werden. Mit der virtuellen Integration werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt. Auf der einen Seite können Wechselwirkungseffekte zwischen Flugzeugsystemen, der Flugphysik und dem Cockpit identifiziert und entsprechend in den Spezifikationen der Systeme berücksichtigt werden. Auf diese Weise ist eine frühzeitige Validierung von Anforderungen möglich, die zu einer Reduktion von Fehlern und somit zu einer Kostensenkung im Entwicklungsprozess führt. Auf der anderen Seite können durch die virtuelle Integration reale Integrationstests vorbereitet und unterstützt werden. Virtuelle Tests ermöglichen ein vertieftes Verständnis des Systemverhaltens und die Identifikation von kritischen Testszenarien.

Szenario-basiertes Testen von integrierten Systemen

Ein Ziel der virtuellen Integration ist die Identifikation von Wechselwirkungseffekten zwischen gekoppelten Flugzeugsystemen. Um solche Effekte zu finden, wird am Institut für Flugzeug-Systemtechnik ein Szenario-basierter Testansatz (Scenario-based Testing) entwickelt. Die Grundlage dazu wird durch ein Szenario-Modell gegeben, das die zu testenden Flugmissionen, Randbedingungen und Ereignisse in kompakter Form als nebenläufigen hybriden Automaten enthält. Das Szenario-Modell wird anschließend durch spezielle Such- und Kombinations-Algorithmen in einzelne Testszenarien zerlegt, die von einer normalen Flugmission bis hin zu verketteten Fehlerereignissen alle denkbaren Varianten abdecken. Die große Anzahl von Testszenarien wird auf einem Computer-Cluster simuliert und durch Agenten ausgewertet. Die Agenten sammeln während der einzelnen Simulationsdurchläufe alle relevanten Daten und analysieren ob die Spezifikationen erfüllt werden. Falls eine Anforderung verletzt wird, können die Agenten das entsprechende Testszenario, den genauen Zeitpunkt und die Ursache bestimmen.

Such-basiertes Testen mit Simulationsmodellen und digitalen Zwillingen

Bei “klassischen” Testmethoden wird typischerweise versucht, durch eine sinnvolle Verteilung der Testparameter über den gegebenen Testraum eine vertrauenswürdige Aussage über die richtige Funktionsweise des Systems zu erhalten. Je größer und komplexer der Testraum wird, umso schwieriger wird es entsprechend, eine vollständige Abdeckung und die richtige Szenario- und Parameterwahl zu generieren. Im Gegensatz dazu werden am Institut für Flugzeug-Systemtechnik explorative und rechner-gestützten Methoden untersucht, welche explizit Schwachstellen im simulierbaren, virtuellen Produkt aufdecken, um unerwartete Szenarien im Rahmen der virtuellen Integration zu finden. Somit sucht dieser neuartige Falsifizierungsansatz gezielt nach der Nichterfüllung einer definierten Systemeigenschaft, ohne eine Aussage über den gesamten Testraum zu geben. Für diese rechner-gestützte “Worst-Case-Suche” oder Anti-Optimierung kommen verschiedene Algorithmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz als kooperative Such-Agenten zum Einsatz. Die Suche bettet sich darüber hinaus in den Szenario-basierten Testansatz ein, bei welchem komplexes Systemverhalten durch eine abstrakte, relevante und betriebsnahe „Story“ erklärbar und interpretierbar wird. Integriert in den gesamten Entwicklungsprozess können so Designiterationen kontinuierlich zu begleitet werden, um für neuartige Systementwürfe frühzeitig einen hohen Reifegrad zu erreichen.

Datenbasierte Testprozesse

Im heutigen Flugbetrieb werden immer mehr Systeme und Komponenten des Flugzeugs im operationellen Betrieb überwacht. Daneben erfassen Flugzeugentwickler und -betreiber sowie Wartungsunternehmen auch noch Daten aus den Simulationen und Tests, sodass sich eine große heterogene Datenbasis ergibt. In diesen Daten sind die verschiedensten Szenarien erfasst, beispielsweise der Ausfall einzelner Systemkomponenten. Damit aus diesen Daten auch Erkenntnisse gewonnen werden können, wird am Institut für Flugzeug-Systemtechnik an Methoden zur datenbasierten Ableitung von Testabläufen aus Daten (z.B. Zeitreihen) gearbeitet. Diese Methoden lassen sich dabei grob in drei wesentliche Prozessschritte aufteilen. Zunächst werden die Zeitreihendaten aus den verschiedenen Quellen in ein gemeinsames Format harmonisiert und in eine Datenbank übertragen, sodass folgende Prozessschritte automatisch durchgeführt werden können. Im nächsten Schritt werden die Daten untersucht, wobei unterschiedliche Analysealgorithmen zum Einsatz kommen. Dazu gehören unter anderem Similarity Search Algorithmen und Beobachter (z.B. Sequenz- oder Zustands-Beobachter). Anhand der identifizierten Auffälligkeiten werden daraufhin neue Testabläufe generiert, sodass die Szenarien im sicheren Umfeld von Prüfständen reproduziert werden und Fehlerquellen gefunden werden können. Für die Testabläufe wird eine generische Beschreibung genutzt, sodass der Prozess Testsystem unabhängig bleibt und erst für die spezifische Ausführung durch entsprechende Exportfunktionen an das spezifische Format angepasst werden muss.

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